„Vom Aufstehen …“ – Die Bücherkinder Brandenburg
„Vom Aufstehen mit Eva, mit Abel, mit Noah und mir“ – Die Bücherkinder Brandenburg
In Brandenburg an der Havel hat sich in den letzten Jahren der DDR eine bemerkenswerte Initiative etabliert, die Kinder und heranwachsenden Jugendlichen den Weg zur Erschließung von Kultur ebnet, ein Anliegen, welches mit dem Entstehen einer neuen Medienlandschaft, geprägt von Computern und sozialen Netzwerken, sowie einer nicht immer ausgewogenen Informationsflut, an Bedeutung gewann, nämlich das Anliegen, klassische kulturelle Zugänge zur Literatur und Kunst bereitzustellen, zumal das der Schule offensichtlich nicht ausreichend gelingt
Einer der Pädagogen, der sich, gespeist aus Erfahrungen aus dem Kulturbetrieb der DDR, sowie den Notwendigkeiten nach 1990 der Aufgabe annahm, der nachwachsenden Generation humanistisches Kulturgut, Literatur und das Kulturgut Buch nahe zu bringen, ist Armin Schubert.
Als dieser 2007 begann, mit Kindern freie Geschichten zu schreiben und zu illustrieren, konnte er bereits auf seine zahlreichen Kontakte aus seiner kulturpädagogischen Arbeit zu Künstlern aus Ost und West zurückgreifen.
So entstand zum 80. Geburtstag von Christa Wolf „Den Kuckuck zwingen“, später zwei Bände „Die Legende von Ribbeck“, „Da fing ich an zu singen“ und andere, womit die „Bücherkinder Brandenburg“ 2008 erstmals an der Leipziger Buchmesse teilnahmen.
Seit 2016 konnten dann jährlich Bücher, von den Bücherkindern geschrieben und illustriert, realisiert werden: „Kinder kennen Klemkes Kater“ zum 100. Geburtstag des Künstlers, zur Postkartenpoesie Jurek Beckers „Du liebe Hühnerkastanie“, „Arno Mohr von hinten oder Nichts geht verloren“, „Ensikat unter der Lupe“, „Ein Pferd für den König und den Prinzen – Metzkes & Metzkes“, „Die Farben der Kindheit“ zur Kindheit von Jurek Becker, Franz Fühmann, Günter Grass und Christa Wolf, das Friedensbuch „Pax questuosa“ und zuletzt „Vom Aufstehen mit Eva, mit Abel, mit Noah und mir“.

Eine Leistung, die für gewöhnlich nur ein Verlag erbringen kann. Die Betreuung der Bücherkinder ist jedoch aus anderen Gründen in hohem Maße aufwendig und lässt den „Büchervaters“, wie Armin Schubert inzwischen für seinen ehrenamtlichen Einsatz anerkennend genannt wurde, mitunter verzweifeln: sie wird aufgezehrt von einem ständigen Kampf um Unterstützung von offizieller Seite, sei es bei der Überwindung bürokratischer Hürden, sei es das Vorgehen gegen Geringschätzung der Kunsterziehung bis zur Ignoranz durch Politik, Medien oder Sponsoren. Ohne eine solche Unterstützung ist jedoch die kulturpädagogische Förderung, mit Worten immer gern gelobt, nicht nur schwierig, sondern de facto unmöglich. Zwar arbeiten Künstler selbst uneigennützig bei der Realisierung der Buchprojekte mit, anlässlich der Hommage zum 100. Geburtstag von Werner Klemke fand der Büchervater auch eine bis heute anhaltende Unterstützung durch die Pirckheimer-Gesellschaft, den Bücherkindern wird eine ständig aktuell gehaltene Internetpräsenz (bücherkinder-brandenburg.de) zur Verfügung gestellt, dennoch bedurfte es einer ungebrochenen Beharrlichkeit des Büchervaters, damit die Bücherkinder Brandenburg immer wieder Förderer fanden. Mit großem Einsatz gelang es auch noch immer, notwendige finanzielle Zuwendungen zu erhalten, aber die ständige Unsicherheit bleibt.

Das Buchprojekt des vergangenen Jahres ist wieder ein schöner Beweis der Fruchtbarkeit der Arbeit mit den Bücherkindern, zumal der Wert der Betreuung von Bücherkindern auch unter dem, von der Kognitionswissenschaftlerin Maryanne Wolf aus Los Angeles angesprochenem Aspekt zu sehen ist, dass „die Frage unserer Zeit nicht ist, was denn aus Büchern wird, sondern vielmehr, was wird aus den Lesern, die wir einst waren?“
So ist für Armin Schubert aus der Sicht der Verhaltensforschung wesentlich: „Was passiert mit uns Menschen durch sich änderndes Rezeptions- und Sozialverhalten? Denn Flüchtigkeit des Lesens, des Denkens und Schreibens, welches medienbedingt und aus Bequemlichkeit, um sich zu greifen scheint, hat Auswirkungen auf unser gesellschaftliches Klima. Was hilft Pressefreiheit, wenn wir wie Analphabeten unterwegs sind? Auf diese Fragen gilt es, Antworten zu finden“ Das treibt den Mentor der Bücherkinder an, das hilft, diese positiven Antworten zum Glück mit Kindern erhalten.

„Vom Aufstehen mit Eva, mit Abel, mit Noah und mir“ enthält auf 84 Seiten Gedichte, Erzählungen und Essays mit Graphiken der zwischen 8 und 13 Jahre alten Bücherkinder und zwei Gedichte von Hilde Domin, illustriert mit Fotos, die den Prozess der Entstehung des Buches anschaulich dokumentieren. Dabei ist vor Allem die künstlerische Kreativität und das wache politische Bewusstsein der Bücherkinder als Ergebnis der Beschäftigung mit Texten von Christa Wolf und anderen erstaunlich, was wieder einmal zeigt, wozu Kinder bei intensiver und fachmännischer Anleitung fähig sind. Und damit hat man mit dem Buch nicht nur, wie man eventuell vermuten könnte, ein zwar anerkennenswertes, aber letztlich inhaltlich nebensächliches Ergebnis von Kindern in der Hand, ähnlich der nur für Eltern wertvollen im Schulhort entstandenen Bastelarbeit, sondern tatsächlich ein interessantes, lesenswertes und vor allen künstlerisch wertvolles Buch. Der bibliophile Charakter des in einer nummerierten Auflage von 65 Exemplaren erschienen Buches wird darüber hinaus durch eine eingebundene Graphik von Helge Leiberg und einen Original-Linolschnitt eines der Bücherkinder, gedruckt von Sven Märkisch im Druckladen der Kinder- und Jugend- Kunstgalerie Sonnensegel e.V., sowie durch die Titelgestaltung und Bindung durch Henry Günther (BuchKunstBalance) unterstrichen.
Für 2025 haben sich die Bücherkinder Brandenburg mit ihrem Büchervater Armin Schubert wieder ein anspruchsvolles Projekt vorgenommen, was, so ist es geplant, in einer Dokumentation von ZDF/Arte anlässlich einer gemeinsamen Ausstellung des Potsdamer Museums Barberini und des Musée Cluny in Paris zum Thema das “Einhorn in der Kunst” gezeigt wird. Drücken wir den Bücherkindern alle Daumen und bleiben wir gespannt – diese wichtige Arbeit mit Kindern verdient unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung.
Abel Doering